107 Realisierungswettbewerb, Erschließung Station Trier-Pallien - 2. Preis
Der Vorschlag für die vertikale Anbindung der räumlichen Situation an die Kaiser-Wilhelm-Brücke sieht als Lösung eine einläufige Treppe vor. Die Treppe beginnt am Bahnsteig entlang des Moselufers und führt - ebenso wie der in den Entwurf einzubindenden Aufzug – hinauf zur Bushaltestelle auf der Brücke.
Mit der geradläufigen Steigung wird die Urform der Treppe schlechthin verwendet. Dadurch ist die Funktion des Bauwerks schon aus der Entfernung deutlich lesbar, und der Besucherstrom bündelt sich intuitiv in Richtung Aufgang. Resultat ist ein Verkehrsknotenpunkt in vertikaler Ausdehnung.
Formal lehnt sich das Erschließungsbauwerk teilweise an die Bauformen der Kaiser-Wilhelm-Brücke an: Massive, in einem Schwung als seitliche Absturzsicherung nach oben gezogene Treppenwangen verleihen dem Bauwerk eine monolithische Wirkung. Unterhalb des Treppenlaufs spannt sich ein großer Rundbogen auf und setzt den Bau in einen eindeutigen Zusammenhang mit dem Bestand der Brücke. Die Treppe wird über einem der Kraftlinie folgenden Gewölbe angebunden. Die dynamische Form ergibt sich aus der querkraftfreien Ideallinie.
Vom Höhenniveau der Kaiser-Wilhelm-Brücke aus gesehen stellen sich der Treppenaustritt und der Aufzug nur reduziert dar. Hier überspannt ein weit auskragendes Dach, das sich aus dem Volumen des Treppen- und Aufzugturmes entwickelt, schützend die Bushaltestelle, ohne dabei die Brücke selbst zu berühren. So wird einerseits der respektvoller Abstand zum historischen Bestand gewahrt, gleichzeitig aber die identitätsstiftende Integration der Haltestation in die Umgebung erreicht.
Das Zitieren des Materials der Kaiser-Wilhelm-Brücke eröfnet einen weiteren Bezug zum Ort und wurde zu einem wesentlichen Entwurfsmotiv. Als bestimmende Materialität des Erschließungsanbaus haben wir uns für eingefärbten Stampfbeton entschieden. Sowohl der Treppenkörper als auch die Verkleidung des Aufzugturms bestehen aus diesem Material und entsprechen so dem Baustoff, aus dem auch die tragenden Elementen der alten Brücke errichtet wurden. Anders als bei dieser wird der Stampfbeton beim Neubau sichtbar gelassen und spiegelt neben dem Rückbezug auf den Bestand so auch die Atmosphäre des Orts wider: Die fließenden Bewegungen des Wassers der Mosel finden sich in den wellenartigen Schichten des Betons wieder, wo sie scheinbar im Material erstarren und die Oberfläche des Gebäudes zum Sinnbild des Flusses werden lassen. Die Mosel selbst als Ursprung und Begründung des Bauwerks wird zum architektonischen Leitmotiv.
Der Naturstein, der das Äußere der Brücke dominiert, findet sich in den Treppenstufen und der Abdeckung der Absturzsicherung wieder. Im Handlauf aus Stahl soll eine indirekte Beleuchtung integriert werden, die den Besuchern auch zur Nachtzeit den Weg weist und die Sicherheit beim Begehen gewährleistet.
All diese Bezüge binden den geplanten Treppenbau deutlich in den bestehenden Kontext ein. Trotzdem macht der selbstbewusste Charakter den monolithisch wirkenden Betonbau zur weithin sicht- und wiedererkennbaren Landmark am Trierer Moselufer. Die Erschließungsstation Trier-Pallien ist ein Gebäude, das ebenso von der Historie des Ortes wie auch von den eigenständigen Gestaltungsansprüchen der Gegenwart erzählt.
Auszug aus dem Protokoll des Preisgerichts:
"Die Verfasser schlagen eine gerade, einläufige Treppe in skulpturaler und muraler Gestaltung vor. Dabei wird die Form auf sehr einfache und prägnante Weise durch den geraden Treppenlauf und durch die bei der Kaiser-Wilhelm-Brücke entlehnten Bö- gen gebildet. Es entsteht eine eindeutige, sehr übersichtliche Wegeführung, die auch für Ortsunkundige bereits weithin erkennbar ist. Der Fahrstuhlschacht wird als ein in- tegraler Bestandteil der Skulptur verstanden und taucht – in nur leicht reduzierter Form – auch bei dem Fahrstuhl des Baufeldes C auf. Dadurch wird ein gutes Gleichgewicht in der Wirkung der beiden Vertikalerschließungen erreicht.
Durch die Ausformulierung der Bögen entstehen auch in kritischen Bereichen unter den Treppenläufen keine Angsträume, und potentielle Probleme wie das Unterlaufen der Treppen werden ganz selbstverständlich vermieden. Auch den Übergang auf die verschiedenen topographischen Niveaus von Bahnsteig und Radweg leistet die Form souverän.
Das vorgeschlagene Material – Stampfbeton – wird überwiegend positiv diskutiert. Durch die richtige Art der Ausführung (Schüttbeton) kann die Dauerhaftigkeit auch hin- sichtlich Frostsicherheit gewährleistet werden. Die gewählte Materialität sucht in ihrer Farbigkeit den Anschluss an die Sandsteinverkleidung der Brücke, was aus denkmal- pflegerischer Sicht positiv gewürdigt wird. Die Fügung zwischen Treppenskulptur und Brückenrand erscheint im Detail noch verbesserungsfähig; der durch den Bogenan- satz am oberen Abschluss des Bauwerks entstehende Abstand zwischen Brücke und Neubau wirkt noch etwas beliebig. Ebenfalls als Teil des Baukörpers wird die Überda- chung des Bushalts formuliert; auch hier sollte noch einmal die Gestaltung im Detail überprüft werden, insbesondere die „Beschilderung“ am Dachrand.
Der Logik des Materials folgend werden auch die Brüstungen als Teil der Skulptur formuliert und lediglich durch stählerne Handläufe gebrauchstauglich ertüchtigt. Die einfachen Stahlgeländer mit Flachstahlfüllungen im Übergang zwischen Treppe und Brücke sollen auch die vorhandenen Brückengeländer ersetzen. In Anlehnung an die in Naturstein gekleidete Stampfbetonbrücke wird ein Natursteinbelag für Treppenstu- fen und Brüstungsabdeckungen vorgeschlagen.
Der nötige Abstand zur Denkmalsubstanz der Brücke ist gewahrt, jedoch wirkt die sehr skulpturale Ausgestaltung aus denkmalpflegerischer Sicht überbetont und stellt sich als zu dominantes Element vor den Brückenpfeiler. Der Aufzug im Westen ist zwar zu dicht an der Brücke platziert, aber in seinem Erscheinungsbild zurückhaltend und gestalterisch gut gelöst.
Die Wahl der vorgeschlagenen Form und die Verwendung des Materials Stampfbeton für dieses Ergänzungsbauwerk zur Kaiser-Wilhelm-Brücke erscheint nachvollziehbar und prägnant. Es entsteht ein gleichsam eigenständiges und selbstbewusstes Bau- werk, das jedoch in seiner Gestaltung von angemessenem Respekt im Umgang mit der Kaiser-Wilhelm-Brücke zeugt und so nur hier denkbar ist."